Fit für Barrierefreiheit, Teil 1

Warum Alt-Tags nicht die Allheilmittel sind

von Ralf Hilgenstock

Wenn man sich mit Barrierefreiheit befasst, gibt es scheinbar zwei goldene Regeln, die einen ans Ziel bringen:
    • achte auf Farbkonstraste
    • verwende Alt-Tags

Farbkontraste sind leicht einsichtig. Menschen mit Farbsehschwäche können bestimmte Farben nicht unterscheiden und jedermann fällt es schwer, Text auf farbigem Hintergrund zu lesen, wenn zwischen den genutzten Farben zu wenig Kontrast gibt.

Der Begriff Alt-Tag steht für alternate Text, also Inhalt, der alternativ zu einer Grafik angezeigt wird. Zum Beispiel für den Fall, dass die Grafik im Browser nicht angezeigt werden kann oder der Betrachter vielleicht blind ist und daher die Grafik nicht betrachten kann. Menschen mit Seheinschränkungen nutzen oft Hilfsmittel. Für diese kann man ein Bild, das keine inhaltliche Bedeutung hat und nur dekorativ verwendet wird, kennzeichnen, damit die Hilfsmittel, diese gänzlich überspringen.

Auf den ersten Blick ist es sinnvoll, statt des Bildes einen beschreibenden Text zu hinterlegen. Oft ist der Platz für den alternativen Text jedoch auf wenige Zeichen beschränkt. Der alternative Text (Alt-Tag) kann dann nicht den gesamten Bedeutungsinhalt wiedergeben. Er stellt für den seheingeschränkten Nutzer also nicht wirklich eine zufriedenstellende Alternative dar. Der Alt-Tag ist dann keine Alternative, sondern eine Krücke.Der Alt-Tag sollte als Ergänzung zum Inhalt verstanden werden, und nicht als Hauptinhaltsträger.

Es gibt den Spruch „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“. In vielen Zusammenhängen stimmt das tatsächlich, wenn man Stimmungen oder Emotionen vermitteln will. Das Bild eines Sonnenuntergangs am Strand löst Erinnerungen aus. Das kann man nur sehr schwer mit einer rein textlichen Beschreibung erreichen.

Im Lernkontext werden Grafiken und Diagramme oftmals eingesetzt, um einen abstrakten Inhalt bildlich darzustellen. Ein Säulendiagramm ersetzt das Lesen von Prozentzahlen und erleichtert das Erkennen von Verhältnissen. Die eine Säule ist höher als die andere. Andere Diagramme zeigen eine zeitliche Entwicklung. Ein Wert steigt oder sinkt im Zeitverlauf.

Idealerweise  ist die Grafik zwischen zwei Textabsätzen plaziert. Ein Lernender kann so das Bild mit dem vorhergehenden oder nachfolgenden Text in Beziehung setzen und seine Schlüsse daraus ziehen. In der Praxis werden Grafiken jedoch ganz häufig überlesen. Das Herauslesen eines Bedeutungsinhalts aus einer Grafik ist Mühe. Viele Grafiken sind zudem mehrdeutig. Man kann verschiedene Schlüsse daraus ziehen. Welche hat eine Autorin nun eigentlich gemeint, als sie die Grafik für den Kurs erstellt hat?

Eine Autorin wird also gut daran tun, den Interpretationsweg für eine Grafik im Text darzustellen und die Grafik selber als redundanten, die Aussage bestätigenden Aspekt zu verwenden. Die Aussage steht im Text. Sehende und nicht sehende Nutzer können also den Text nutzen. Das Bild ist für Nichtsehende gar nicht mehr zwingend notwendig. Damit könnte der Alt-Tag entfallen.

Durch den anderen Aufbau des Lerninhalts schafft man Nutzen für alle Anwender. Bitte nicht missverstehen: Die Nutzung von Alt-Tags hat auch ihre Berechtigung bei Lerninhalten, insbesondere wenn es sich um andere Bilder als Grafiken und Diagramme handelt. Aber wie sollten Alt-Tags gestaltet werden, damit sie einen Mehrwert für Ihre Lerninhalte haben? Wir werden uns dem Thema in einem weiteren Artikel widmen.

Das Thema Barrierefreiheit liegt uns am Herzen. Deshalb treiben wir das Thema voran und bieten u. a. Sensibilisierungsschulungen, Kurschecks, Materialentwicklungen, kooperative Kurserstellung, aber auch Lizenzierung der Vorlesesoftware Readspeaker und der Analysetools von Brickfield Education Labs.

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